Die ganze Geschichte
Es ist jetzt mindestens 30 Jahre her, dass es uns als Club oder meinetwegen auch nur als Gemeinschaft beinharter Metal-Fans gibt. Nun hat keiner von uns Tagebuch geführt, wir sind weder im Grundbuch, noch im Poesiealbum eingetragen, Journal, Bilanz und ähnliches hat keiner geführt, also muss wohl mein lückenhaftes Gedächtnis herhalten, um die Geschichte unseres "Treffs" zu erzählen.
Los ging das Ganze wohl ca. 1981, als wir (die damals 15-/ 16jährigen Halbwüchsigen) uns mit unseren Mopeds auf dem Reichenbacher "Ausweichplatz" in der Nähe des Wasserturms der Fußball-Langweiler von "Blau-Weiß-Reichenbach" getroffen hatten. Mit dem Moped über den Platz (manchmal nur auf dem Hinterrad - deswegen war ein gekürztes Schutzblech vorn und hinten sowieso Pflicht!) und Musik aus mitgebrachten "Stern-" oder "Annettrecordern" angehört. So laut wie's ging Kassetten von AC/DC, Kiss, Def Leppard und vor allem Judas Priest ("British Steel" / "Defenders Of The Faith" anhören, das gefiel auch den dortigen Anwohnern gut. Es dauerte natürlich nicht lange, so tauchte der ABV (so hießen damals halt die Bullen, die jeweils für ein größeres Wohngebiet zuständig waren) "Ossie" Schmiedel auf und "empfahl" uns andere Treffpunkte. Welche, konnte er uns auch nicht sagen...
Also sind wir (das waren damals in etwa Oliver Marinov, Michael Köllmer, Jens "Ep" Ebert, Hanno Kölbel, die zwei Brüder Mahler, Jens Vollbrecht, Frank Schettler und noch ein paar Andere) doch flugs in unseren Stadtpark "umgezogen". So konnten wir uns "behind the Pavillon" treffen, Feten feiern, lärmen, Bier und "Tim's Sauren" (EVP: 11,80 Mark) trinken.
Ausgesprochen gefallen hat uns auch der Raum der Baracke hinter dem Pavillon: vor lauter Kälte und Übermut haben wir uns schon mal Zutritt verschafft. Besonders die Requisiten des Mumien- Orchesters "Staatliches Vogtlandorchester" hatten es uns angetan...
Es dauerte natürlich nicht lange, standen wieder die "Ordnungshüter" auf dem Programm. Allerdings konnte man uns nun nicht mehr so ohne weiteres vertreiben. Dazu waren wir im Laufe der Zeit einfach zu viele Jugendliche, die ihre Freizeit zusammen verbringen wollten, geworden. Inzwischen zählten auch die Herren Paul, Carl, Loncar (der "Größere") und noch ein paar Mädchen dazu. So war die Geschichte mit dem Treffen der Heavy Metal-Fans von 1981 - 1984 noch irgendwie gut- oder untergegangen. Aber zu diesem Zeitpunkt konnte man wohl auch staatlicherseits nicht mehr über folgende Situation hinwegsehen: Da standen an den Wochenenden 30 - 40 junge Leute im Reichenbacher Stadtpark herum, hörten Heavy Metal (inzwischen waren auf unseren MC's Bands wie Iron Maiden, Saxon, Ted Nugent, Scorpions, Van Halen, Gary Moore, Accept, MSG, Ozzy Osbourne überspielt) und wollten ihren Spaß. Ganz fernab vom Alltag im VEB, der FDJ, GST, SED oder sonstigen üblichen DDR-Kontroll- und Nervorganisationen! Kein Wunder übrigens, dass sich gerade diese Jugendlichen wilde, rebellische, aber vor allem auch (großteils) ehrliche Musik - nämlich Heavy Metal - anhörten.
Etwas unbegreiflich bleibt, warum dieser Musikstil zu DDR-Zeiten nicht verboten war. Also hatte man von Seiten der Stadt Reichenbach irgendwie ein Einsehen, das "Problem" sollte von der Straße. Unser damaliger Ansprechpartner in der Stadt, Hans-Joachim Piehler, (loyal, aufgeschlossen, irgendwie selbst ein jugendlicher Typ) zeigte uns also 1983 einen Raum der "Nationalen Front" (das war so etwas wie die Wohnbezirksorganisation des Wohngebietes der jeweiligen Region) im Ortsteil Cunsdorf. Wir waren gleich einverstanden mit dem Angebot. Nun konnten wir endlich unsere Mauke hören, ohne immer die teuren und sauschweren Batterien für unsere Recorder zu kaufen. Nach dem Genuss von diversen Sternquell- (seltener Wernesgrüner-) Bieren und einigen Gläsern "White Lady" oder "Mokka" lagen dann bei unseren Feten dann bei Klängen von Judas Priest schon mal bis zu 10 Mann übereinander in dem allerfeinsten Zigaretten- und Bierschwemmendreck und schüttelten sich, headbangten und zerstörten dabei schon mal ein Fenster. Gut, das wir Glaser "Schett" bei uns hatten, ein Versorgungsproblem weniger...
Ältere von Euch werden noch wissen, wie schwer es war, an die begehrten Platten und Kassetten mit H. M. heranzukommen. Urlaubsreisen nach Polen oder Ungarn mussten herhalten, um Klänge zu besorgen. Super auch, wenn man 'ne Oma oder Opa hatte, die mal in den "Westen" zu Besuch ausreisen durften. Dann mussten die spärlichen 60 DM herhalten, um wenigstens für den Enkel 'ne LP mitzubringen. Wenn ich mir meine damals stolze 73jährige Oma vorstelle, die in München oder Düsseldorf in den seltsamsten Insider-Läden (H. M. gab's damals noch nicht wie heute in den großen Ketten oder Supermärkten) nach LPs von Grave Digger, Restless, Helloween oder Gary Moore gefragt hat...
So ab und an waren sogar Metal-Konzerte in der Umgebung: Namen wie Formel 1, Regenbogen, Biest, Pharao und Argus (bis vor kurzem noch als Moshquito aktiv) tauchten auf. Also, nix wie hin! Entfernungen spielten dank der Deutschen Reichsbahn, dem "S 51" oder dem Trabi keine Rolle.
Zu dieser Zeit gab es in unserem Club einen mittleren Erdrutsch, in dessen Loch locker alle 9 Planeten unseres Sonnensystems friedlich nebeneinander Platz gehabt hätten und dann immer noch mit der ganzen restlichen interplanetaren Materie aufgefüllt werden konnte: das Erscheinen von Metallica's mittlerweile legendärem Album "Ride The Lightning"! Seitdem war in unserem Treff nix mehr, wie's vorher war! Ausartung, Härte, genialstes Riffing und vor allem eine noch nie gehörte Geschwindigkeit und Härte, trotz feinster Melodien! Begeisterung, glänzende Augen, offene Münder, ja schon fast so was wie Hysterie entstand! Alle anderen Platten, die zeitgleich oder gar früher erschienen waren und ähnliche deftige Mucke enthielten (etwa z. B. Venom, Slayer, die erste Exciter, Exodus oder das wahnwitzig-geniale Debüt von Metal Church) spielten zu diesem Zeitpunkt keine Rolle. Schlicht deshalb, weil wir diese Scheiben da noch nicht kannten. Diese Scheibe war unsere erste Bekanntschaft mit einer Musikrichtung, die sich Thrash Metal nennt. Natürlich haben wir alle mittlerweile unsere "Versäumnisse" in dieser Richtung brav nachgeholt (oder?!?). Unsere Samstags-Feten waren inzwischen in der Umgebung des Vogtlandes berühmt-berüchtigt. Es soll Leutchen gegeben haben, die hätten sich bei allem Interesse für unsere Musik niemals-nimmer-nicht in unsere "Höhle" getraut. Der Anstand und mein kumpelhaftes Naturell verbietet mir jedoch, heute Namen zu nennen. Gäste aus Schöneck, Altenburg, Plauen, Klingenthal stellten sich ein. Das war übrigens gut, so kam man besser an noch mehr Platten und deren Sammler heran.
In der Zeit so um 1986/87 lagen wir übrigens in einem "Luftleerem Raum". Die alten Clubchefs Mahler oder etwa Heiko Kummer hatten kein Interesse mehr, keine Zeit oder unterlagen der natürlichen Auslese (heute "Heavy Rotation" genannt). Meiner einer war bei der NVA und keiner wollte sich mehr um die Geschehnisse kümmern. Unser Treff gammelte in dieser Zeit so vor sich hin, keiner fühlte sich für auch nur irgendwas verantwortlich. Wenn schon mal Fete war, gab's Klänge von Nina Hagen oder Marius-Müller Westernhagen.
(Also wisster!)... Hätte ich es bei einem Kurzurlaub von der "Fahne" nicht selbst erlebt, ich würd's heut' noch nicht glauben! Aber gut, dass just zu dieser Zeit ein gar kultiges-seltsames Männeken nebst obernetten Frauchen bei uns auftauchte. Die beiden waren wohl irgendwie aus Italien über Lengenfeld/ Vogtland angereist, weil alle den Typ, der eigentlich Jörg Gerlach heißt, nur "Mafia" nannten. Er brachte die Musik einer Band namens Savatage mit in unseren Treff, bekam im Gegenzug solch feine Scheiben wie die Debüts von Destruction, Kreator oder Metal Church beschert. Dieser Mann leitet bis heute erfolgreich die Geschicke unseres Treffs. Immer öfter waren auch Gesichter zu sehen, die auf solch klangvolle Namen wie Bernd & Frank Nordmann, Jörg Schaarschmidt, Uwe Preller, Tobias Schneider, Thomas Witte oder die der Neumarker Thomas Müller, Michael Augsten und Gerd Moses hörten. Und weil Metaller im Winter nicht frieren wollten, waren wir im Winter meistens an den Wochenenden im benachbarten "Asbest"-Club zu Gast. Der Club hatte wenigstens einen Kohle-Ofen. Die dort ansässigen, extrem langweiligen Zombies aus der Gruft (wurden damals auch "Popper" oder "Blueser" genannt) waren schnell vertrieben und man lernte solch lustige Typen wie den Schnitt, Baumi, Bello, Popp und noch ein paar mehr kennen, die sich auch den feinsten Metal reinzogen.
Musikalisch waren wir längst bei dem Motto angelangt: HÖHER, SCHNELLER, HÄRTER. Namen wie Bathory, Napalm Death, Whiplash, Sodom, Annihilator, Vendetta, Tankard, Rumble Militia, Running Wild, Onslaught, Assassin, Dark Angel, S.O.D., Testament, Sacred Reich usw. tauchten auf.
Das waren guten Zeiten, 14-täglich Fete bei uns im Treff (längst gehörte uns die ganze Baracke, die wir uns vorher mit der Freiwilligen Feuerwehr teilen mussten), wir hatten DJ-Gastauftritte mit Metal-Mauke in der Disco "Stadt Dresden" mit ausgehöhltem Helloween-Kürbiskopf usw. Nach den damaligen Dive-Attacken musste schon mal ein Doc' ran, um davon ramponierte Gesichter anschließend zu nähen. Konzerte mit Bands wie Nobody, M.A.D., Viper, Asathor, Moshquito (die ja - siehe oben - eigentlich Argus hießen. Nachdem die Band Auftrittsverbot hatte, nannte man sich einfach in Moshquito um und weiter ging's wie vorher. Ziemlich genialer Trick damals, um Ärger mit den staatlichen Stellen zu umgehen.), Biest u.a.
Viele dieser Konzerte fanden im damaligen "Tanztreff" in Aue statt. Wenn's Mafia's oder meinen Trabi noch gäbe, würden diese heute noch den Weg via "Autopilot" nach Aue finden... In jener Zeit müssen wir auch irgendwann einmal auf die Idee gekommen sein, jährlich unsere Musikgeschmäcker zu vergleichen. Also flugs von allen Treffkumpels jeweils 10 - 15 Lieblingstitel auf einen Zettel geschrieben und die dann recht mühsam ausgewertet.
Das Ergebnis war dann unsere alljährliche Riesenfete namens "Hitparade / Charts". Ich glaube, das erste Mal war das Ganze 1985. Jedenfalls ist das mein erster persönlicher Zettel, den ich von diesen Auswertungen heute noch besitze. Die DJs waren dabei: Mafia, Paule, Thomsen, Bachi, der Graazer, der Schnitt. Ganz genau wissen wir nicht mehr, wann das in dieser Form angefangen hat. Also haben wir vorsichtigerweise schon 1997 das 10jährige Jubiläum unserer Hitparade gefeiert. Platz eins war dabei übrigens Bathory mit dem Alltime-Gänsehaut-Klassiker "Blood, Fire, Death".
Allerdings merkten wir wohl alle auch zur selben Zeit, so um 1987/88 herum, dass da 'was faul war, im Staate "DDR". Jens "Paule" Paul, Rene Carl, und "Ulbi" Rössner hatten längst den Ausreiseantrag gestellt. Die SED, die Stasi und FDJ hatten längst nicht mehr alles unter Kontrolle und jeder hatte das Gefühl, dass es so nicht mehr lange weitergehen konnte. Wenn man in Leipzig friedlich gegen das Regime der DDR demonstrieren konnte, warum sollte das in Reichenbach nicht gehen?! Also gingen wir mittwochs auf den Reichenbacher Karl-Marx-Platz oder vor die Peter-Paul-Kirche demonstrieren und unseren Frust herausschreien. Anschließend gingen wir Metaller in die schon erwähnte "Stadt Dresden", denn Schreien macht Durst... Das alles war damals schon eine aufregende Zeit. Wer bewusst dabei war, weiß sicher, was ich meine...
Die Wende kam für uns Metaller zur richtigen Zeit, das üble Beschaffungsproblem der Metalscheiben war vorbei. Zuletzt hatte man für eine Scheibe vom Schwarzmarkt 300 Ostmark bezahlt... Noch für Ostmark sah man schon mal in Ostberlin ein kultartiges Konzert (Einlass 17.30 Uhr) mit den Bands Coroner, Sabbat, Tankard und Kreator. Das war dann ein Schein mit einem J. W. von Goethe und ein Schein mit einer Clara Zetkin vorne drauf und man war dabei. Wenn man überlegt, wie viele Bands wir seitdem gesehen haben, ist das schon beeindruckend. Gemeinsame Fahrten nach Eindhoven, Budapest, München, zu diversen Open Airs, nach Glauchau und Zwickau (ein Gruß an den Rock Life e.V.!) eingeschlossen. Und bestens, dass die Wende gerade 1989/90 kam. Sonst hätten wir uns nicht eine der aufregendsten Richtung im Heavy Metal in diesem Umfang reinziehen können. Gemeint ist der Death Metal mit den unzähligen Namen (in Vertretung wenigstens ein paar der ersten wichtigsten Bands - Death, Incubus, Morbid Angel, Entombed, Messiah, Massacre, Loudblast, Asphyx, Pestilence, Master...)
Nicht zu vergessen all die Veröffentlichungen seinerzeit aus dem Grindcore-Genre, der ganz sanft beginnenden zweiten Black Metal-Welle (Mayhem, Burzum...). Als die Älteren unter uns im Treff schon glaubten zu verstauben und zu veralten, bekamen wir endlich etwas Metaller-Nachwuchs in Form der "Artless"-Metal-Band. Grützer und Burgi sorgen heute mit dafür, dass der Spirit des Heavy Metal in Reichenbach und Umgebung hochgehalten und weitergetragen wird. Mittlerweile sind wir immer noch stolz auf unseren Treff. Und auch darauf, dass wir anno 2012 schon unser zehntes CM-Open Air veranstalten. Quasi zwei Jubiläen in einem Jahr – wenn das nix ist! Wir feiern mit Euch allen zusammen – versprochen!
Sicherlich habe ich in der kurzen Geschichte, die ich versucht habe, Euch heute zu erzählen, vieles vergessen. Habe manches auslassen müssen, manches lieber nicht erzählt. Und ich hoffe auch, dass ich niemanden auf den Schlips oder den BH getreten bin. Fest steht aber, dass wir alle zusammen in unserem Treff die letzten Jahre alle eine gute Zeit gehabt haben. Ich möchte davon keinen Tag missen und noch viele weitere gute Tage erleben!
In diesem Sinne, all you Metal Hearts!
Danilo Bach